Für viele Jemenitinnen und Jemeniten war das Leben schon vor dem Krieg nicht einfach. Die vergangenen fünf Jahre hatten jedoch für Millionen Menschen katastrophale Folgen. Viele haben ihre Einkommensquelle verloren und wissen nicht, wie sie etwas zu essen auf den Tisch bringen sollen. Die Preise steigen unaufhörlich, und viele Staatsbedienstete in den nördlichen Teilen des Landes bekommen seit vier Jahren kein Gehalt.
Nicht weniger als 3,65 Millionen Menschen sind aufgrund der Kämpfe aus ihrem Zuhause geflohen und wurden damit noch weiter in Armut und Verzweiflung getrieben. Darüber hinaus wurde der Jemen von einem der schlimmsten Cholera-Ausbrüche der Welt heimgesucht, der durch das kollabierende Gesundheitssystem noch verschlimmert wurde.
Die folgenden Geschichten zeigen, wie normale Jemenitinnen und Jemeniten in den letzten fünf Jahren alles verloren haben, von Verwandten bis zu ihrem Zuhause und ihrer Einkommensquelle.

Mohammed Abdullah Al Tamerah hat bei einem Luftangriff auf sein Haus in Amran zwei seiner Töchter, seine Mutter, seinen Bruder und zwei Schwestern verloren.
„Ich hatte nicht damit gerechnet. Es ist schlimm, aber die Aggression ist skrupellos … Sie tötet … Wie man sieht, sind die meisten, die umkommen, Kinder und Frauen.“

Haifa Ameen ist zehn Jahre alt. Sie war mit ihrer Familie aufgrund der Kämpfe schon mehrere Male zur Flucht gezwungen. Derzeit lebt sie im Distrikt Abs.
„Früher bin ich zur Schule gegangen. Aber jetzt nicht mehr. Wir können es uns nicht leisten. Ich bin gern zur Schule gegangen. Ich fühlte mich klug. Ich habe lesen gelernt, aber was kann ich schon tun, mit leeren Händen? Ich wollte Lehrerin werden.“
„Ich möchte sie bitten, den Krieg zu beenden. Was uns hier widerfährt, ist so ungerecht, ungerecht den Kindern und auch allen anderen gegenüber. Wir würden gerne so wie andere Kinder außerhalb des Jemen sein und in Sicherheit leben.“

Dr. Hamoud Hodeish arbeitet als pädiatrischer Onkologe im Krebskrankenhaus in Sana’a. Er beschreibt die Folgen der Schließung des Flughafens Sana’a auf krebskranke Kinder und das Gesundheitssystem:
„Für das Krankenhaus ergeben sich daraus eine Menge Probleme, darunter ein Mangel an Medikamenten, Kapazitäten und Behandlungsmethoden. Wir können aufgrund der derzeitigen Lage keine Patientinnen und Patienten behandeln, die Chemotherapie brauchen. Es ist sehr kompliziert, Medikamente zu importieren. Strahlentherapiegeräte sind bereits zusammengebrochen. Unser Hauptproblem sind die Grenzen und der Flughafen sowie die Suche nach dem einfachsten Weg, diese Dinge zu importieren.“

Salah, 13, floh aus Taiz vor dem Krieg und lebt nun in Al-Mishqafa, einem Lager für Binnenflüchtlinge in Lahj. Eines Tages, als er mit zwei weiblichen Verwandten seine Schafe weiden ließ, fand eins der Mädchen eine Granate und nahm sie an sich. Während sie damit spielten, trat Salah auf die Granate. Er wusste nicht, dass sie explodieren würde. Sie traf ihn und die beiden Mädchen. Er erlitt Verletzungen am Bauch und eine Hand und ein Fuß mussten amputiert werden.
Salah vermisst sein Zuhause. Er würde gern wieder mit seinen alten Freunden spielen, Fußball spielen und Fahrrad fahren.

Die 32-jährige Rahma Ahmed ist Lehrerin in der Al-Mustaqbal-Schule im Distrikt Bani Al-Harith in Sana’a. Ihr Leben wurde auf den Kopf gestellt, als sie vor drei Jahren plötzlich kein Gehalt mehr bekam. Vor Beginn des Jemen-Konflikts im Jahr 2015 hatte sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn in der im Westen gelegenen Stadt Sana’a ein gutes Leben. Jetzt unterrichtet sie ohne Bezahlung und hält sich knapp mit dem Verkauf von selbst gemalten Plakaten über Wasser.
„Vor dem Krieg waren wir an ein regelmäßiges Gehalt gewöhnt. Es war recht niedrig, aber das waren die Preise auch. Nun muss ich mir manchmal Geld leihen, damit ich meinem Sohn ein Brot zum Frühstück und seine Schulsachen kaufen kann. Meine Motivation, dass ich weiterhin jeden Tag zur Schule komme, ist, die nächste Generation auszubilden.“

Der vierjährige Misha’al Salah lebt als Vertriebener in einem Zelt in Taiz. Er hört von seinem Heimatdorf, aber er kann sich an nichts erinnern, weil seine Familie von dort floh, als er erst ein Jahr alt war.
„Die Leute hier sagen, dass wir in unserem Dorf ein Haus haben. Aber ich erinnere mich nicht daran. Ich hoffe, dass wir eines Tages wieder in unserem Haus wohnen.“

Ghaleb Mohammed Al-Faqeeh ist Ende 50 und Vater von zehn Kindern. Neben seiner Arbeit als Bauer besaß Ghaleb früher ein Auto und ein Motorrad und transportierte Ware aus der Stadt in sein Dorf. Er verlor alles, als der Krieg das Dorf erreichte.
„Meine Frau und mein Sohn versuchte, in unser Dorf zurückzukehren, um ein paar unserer Sachen zu holen, aber sie traten auf eine Mine. Sie explodierte und tötete beide. Alle meine Hoffnungen wurden zerstört, als meine Frau und mein Sohn starben.“

Thawreyah, 28, hat nicht mehr mit Gas gekocht, seit sie 2017 aus ihrem Haus fliehen musste.
„Wie alle anderen Frauen hier im Lager sammle ich in den Bergen Feuerholz zum Kochen, sonst müssten wir hungern. Wir haben es hier im Lager wirklich schwer und natürlich leiden auch unsere Kinder. Sie gehen morgens zur Schule und danach gehen sie Feuerholz und Wasser holen.“

Geyad Ahmed, 6, besucht die erste Klasse der Grundschule. Morgens geht er zum Unterricht. Direkt nach der Schule geht er in die Berge, um Feuerholz zu sammeln.
„Ich sammle jeden Tag Feuerholz, um meiner Mutter zu helfen, damit sie für uns kochen kann.“

Mohammed Al-Hawsali ist Mitte 40. Er war früher in Hodeidah als Grundstücksmakler tätig. Bevor der Konflikt eskalierte, besaß er drei Häuser
„Die Schüsse kamen aus allen Richtungen und Kampfflugzeuge schwebten über uns. Die Luftangriffe trafen ein Haus direkt neben meinen drei Häusern. Zwei wurden vollkommen zerstört und sind nicht mehr bewohnbar, das dritte wurde schwer beschädigt. Diese Häuser waren alles, was ich hatte. Sie waren mein Lebenswerk.“

Aboos Faisal, 13, wurde aus Hodeidah nach Amran vertrieben. Sie sammelt Plastikflaschen und verkauft sie an Recyclingfabriken. Damit trägt sie zum Familieneinkommen bei.
„Ich würde so gern lesen und schreiben, aber mein Vater hat nicht genug Geld, um uns alle mit Essen zu versorgen. Deshalb muss ich jeden Tag arbeiten, um meiner Familie zu helfen. Essen hat für uns oberste Priorität. Alle meine Geschwister arbeiten, genauso wie ich. Es ist unmöglich, zur Schule zu gehen.“