Sorya ist eine Großmutter aus Ray Al Ayn in Nordostsyrien. Während des seit acht Jahren andauernden syrischen Konflikts wurde sie bereits dreimal vertrieben. Dieses Mal waren die Gründe für ihre Flucht Furcht einflößender als je zuvor, sodass sie gezwungen war, das Land zu verlassen.
“Wir sahen Menschen verbrennen“, sagt sie. „Wir rannten über ihre Leichen, um zu entkommen.“
Sie floh zusammen mit 23 weiteren Menschen. Es waren Frauen, junge Männer und Kinder. Viele gehörten zu ihrer Familie.
Alle Straßen wurden willkürlich beschossen. Es gab für die Zivilbevölkerung keine sichere Route.
“An der Grenze gingen wir sechs Stunden lang zu Fuß. Wir hatten Angst, dass die IS-Gruppe oder sonst jemand uns angreifen würde. All die Kinder, die bei uns waren, hatten weder Wasser noch etwas zu essen.“
Die Gruppe hatte schließlich keine andere Wahl, als sich an Schmuggler zu wenden, um sich im Irak in Sicherheit zu bringen.
“Während wir unterwegs waren, wussten wir nicht, mit wem wir es zu tun hatten. Selbst die Männer bekamen Angst, weil wir nicht mehr wussten, wohin wir gingen.“
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Viele Flüchtlinge hoffen, nach Hause zurückkehren zu können. Der Horror, den sie mit ansehen mussten, und die wiederkehrenden Gefahren hindern jedoch einige daran.
Die Untersuchung „Desperate Measures“ („Verzweifelte Maßnahmen“), die von NRC Flüchtlingshilfe im Baradrash-Lager, in dem auch Sorya lebt, durchgeführt wurde, hat ergeben, dass 95 Prozent der Geflüchteten nicht glauben, dass sie in ihre Heimat zurückkehren, sondern stattdessen im Irak bleiben werden.
Auch Sorya empfindet das so.
„Wo sollte ich hin, wenn ich zurückkehren müsste? Mein Haus wurde niedergebrannt und alle, die dort gelebt haben, sind geflohen. Selbst wenn ich mich hier im Lager von Erde ernähren müsste, würde ich niemals nach Syrien zurückkehren.“

Dies bestätigt die weitverbreitete Angst, das Leid und die Verzweiflung, die im Nordosten Syriens seit Beginn der türkischen Militäroffensive im Oktober 2019 herrschen.
Hindernisse auf der Suche nach Sicherheit
Die türkische Militäroffensive begann am 9. Oktober 2019, als die USA den Abzug ihrer Truppen ankündigten. Sie umfasste Luftangriffe, Artilleriebeschuss und Bodenkämpfe. Über 17.000 Syrerinnen und Syrer waren zur Flucht gezwungen.
Die Flüchtlinge berichten NRC Flüchtlingshilfe von erschütternden Reisen, der Flucht vor Bomben und dem Vormarsch der Truppen, von langen Fußmärschen über die hügelige Grenze nachts in der Kälte. Viele Familien wurden bei ihrer schwierigen Flucht voneinander getrennt.
Andere erinnern sich an zivile Opfer. Suleiman, gerade 18 geworden, erzählt uns:
“Auf unserer Flucht wurde jemand direkt vor meinen Augen von einem Luftangriff getroffen. Sein Kopf wurde dabei vom Körper abgerissen. Ich konnte nur seinen Kopf sehen. Der Körper fehlte.“

Ali, 25, humanitärer Helfer aus Ayn Issa, floh um dieselbe Zeit. Für Ali war der Tag, an dem die Militäroffensive begann, ein ganz normaler Arbeitstag, bis zu dem Moment, als er einen Anruf erhielt und von einer Explosion im nahegelegenen Ras Al Ayn erfuhr. Ein Anruf, der sein Leben auf den Kopf stellte.
„Ich hatte in Syrien ein normales Leben. Tagsüber arbeitete ich mit Vertriebenen und abends ging ich nach Hause. Ich hätte niemals gedacht, dass ich eines Tages selbst fliehen und in einem anderen Land Zuflucht würde suchen müssen.“
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Hilfe bei der Grenzüberquerung
Die Menschen flohen mit nichts als den Kleidern, die sie am Leib trugen. Sie hatten auf ihrer schwierigen Reise nichts zu essen und zu trinken. NRC Flüchtlingshilfe war an den Empfangsstellen vor Ort, um die neu Ankommenden mit Trinkwasser und anderen wichtigen Dingen zu versorgen.
In den neu eingerichteten syrischen Flüchtlingslagern verteilen wir wichtige Gegenstände für Babys und Hygienesets für Familien. Außerdem haben wir für die kalten Wintermonate Gemeinschaftsheizgeräte installiert.
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Für diejenigen, die keine andere Wahl haben, als im Lager zu bleiben, haben wir eine inoffizielle Schule gegründet, damit die Kinder einen Platz zum Lernen haben und etwas hoffnungsvoller in die Zukunft blicken können.
Den vollständigen Bericht über die Situation für syrische Flüchtlinge im Nordirak finden Sie hier. (Englisch)