Die Anzahl der Vertriebenen in Burkina Faso hat sich innerhalb eines Jahres auf über 560.000 verzehnfacht. Voraussichtlich wird diese Zahl bis April dieses Jahres auf 900.000 hochschnellen, da die brutale Gewalt weiterhin Familien aus ihrer Heimat vertreibt.
„Burkina Faso braucht mehr als nur Kugeln und Bomben. Militärisches Engagement allein wird die Menschen nicht schützen. Die Geber, die die militärischen Bemühungen zur Eindämmung der extremen Gewalt unterstützen, haben noch nicht mit gleichem Nachdruck auf den enormen humanitären Bedarf reagiert“, warnt Jan Egeland, Generalsekretär von NRC Flüchtlingshilfe, der das Land diese Woche besucht.
Frankreich und die Staaten der afrikanischen Sahelzone haben die vorwiegend sicherheitsorientierte Reaktion auf die willkürliche Gewalt vieler bewaffneter Kämpfer im Norden und Osten Burkina Fasos verstärkt. Einige der groß angelegten Militäreinsätze gegen bewaffnete Gruppen hatten jedoch schwerwiegende humanitäre Folgen und zwangen Tausende Menschen, aus ihrer Heimat zu fliehen.
Das Land steht nun am Rande einer Hungersnot. Bis Juni werden erschütternde 10 Prozent der Bevölkerung Burkina Fasos auf Lebensmittelhilfe angewiesen sein. Die Gewalt bedeutet auch für künftige Generationen Probleme, da manche bewaffneten Gruppen vorsätzlich Schulen und Lehrkräfte ins Visier nehmen, wodurch nun über 330.000 Kinder keinen Zugang mehr zu Bildung haben.
„In der nördlichen Stadt Barsalogho haben mir einige der 70.000 Vertriebenen schreckliche Geschichten erzählt. Sie mussten in die Lager fliehen, in denen jetzt ein akuter Mangel an Wasser, Sanitäranlagen, Lebensmitteln und Bildung herrscht. Unsere Arbeit wird durch die Unsicherheit und die unzureichenden Finanzmittel stark behindert. Die Regierungen der Geberländer haben nicht verstanden, dass hier die am schnellsten wachsende Vertreibungskrise der Welt stattfindet. Die Reaktion auf diese humanitäre Katastrophe ist immer noch sehr zögerlich“, sagt Egeland.
Im vergangenen Jahr wurden weniger als die Hälfte der zur Deckung des humanitären Bedarfs benötigten Mittel bereitgestellt.
„Wir müssen unsere Präsenz umgehend ausbauen, um die Unterstützung und den Schutz zu bieten, den diese Familien verdienen. Viele erzählten mir, dass sie vor lauter Angst vor weiteren Angriffen nachts nicht schlafen könnten. Viele Familien werden von alleinstehenden Müttern geführt, deren Ehemänner und Väter häufig tot oder vor den gezielten Tötungen von Männern geflohen sind“, sagt Egeland.
Die internationale Gemeinschaft muss neben regionalen Akteuren, die die militärische Reaktion unterstützen, auch die Hauptursachen des Konflikts anerkennen, die angegangen werden müssen, und den Dialog zwischen Gemeinden und Behörden wiederherstellen.
„Ich verstehe nicht, was passiert ist, früher haben wir miteinander gesprochen“, sagt Mariam, eine vertriebene Mutter in Barsalogho. „Wenn es Spannungen zwischen den Gemeinden gab, wurden diese von den Gemeindeleitern gemäß unserer Tradition besprochen. Jetzt spricht niemand mehr. Zwischen uns stehen Mauern.“