Die Ausbildung von 2,5 Millionen Kindern ist unmittelbar gefährdet, wie NRC Flüchtlingshilfe, das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) warnen. Regierungen, bewaffnete Gruppierungen, weitere Konfliktparteien und die internationale Gemeinschaft sollten gemeinsam Maßnahmen ergreifen, um die Angriffe und Bedrohungen gegen Schulen, Kinder und Lehrpersonal zu stoppen und die nachhaltige Unterstützung für qualitativ hochwertigen Unterricht für jedes Kind in der Region zu stärken.
In Zentral- und Westafrika wurden bis Anfang September erst 3,9 Prozent der für die Bildung benötigten Mittel bereitgestellt. Im Vergleich dazu wurden 30,5 Prozent für den gesamten humanitären Sektor in der Region erreicht. Trotz des explosionsartigen Bedarfsanstiegs wird der Bildungssektor allzu oft vernachlässigt.
„Bildung ist für Kinder der Schlüssel zu einer besseren Zukunft. Aber für Millionen Kinder in Zentral- und Westafrika bedeutet die Unsicherheit, dass sie im kommenden Schuljahr keine Schule besuchen und nichts lernen können. Viele werden gezwungen sein zu arbeiten, sich bewaffneten Gruppen anzuschließen oder zu heiraten und sich somit ihre Zukunft zu verbauen“, erklärt Hassane Hamadou, Regionaldirektor für NRC Flüchtlingshilfe in Zentral- und Westafrika. „Das Recht auf Bildung ist ein Grundrecht, ungeachtet der politischen und sicherheitspolitischen Lage des Landes, in der es wahrgenommen wird. Die unterzeichnenden Staaten der Safe School Declaration („Erklärung zu sicheren Schulen“) müssen ihr Möglichstes tun, um deren Umsetzung sicherzustellen und Kindern eine bessere Zukunft zu garantieren.“
Besonders akut ist die Situation in der zentralen Sahelzone. Die Anzahl der Schulen, die geschlossen werden mussten, hat sich hier zwischen 2019 und 2023 von 1.700 auf 9.000 nahezu versechsfacht. Die Hälfte aller gemeldeten Schulschließungen in Zentral- und Westafrika entfällt allein auf Burkina Faso, wo bis Juli 2023 ganze 6.100 Schulen geschlossen wurden.
In einigen Fällen sind Schulen das Ziel von direkten Angriffen durch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen. Zwischen Januar und August 2023 wurden in der gesamten Region 147 Vorfälle registriert. In anderen Fällen stehen Schulen infolge von gewaltsamen Vertreibungen leer. Angesichts von Konflikten fliehen sowohl Familien als auch Lehrkräfte. Die Ausbildung wird abrupt unterbrochen, jedoch nicht nur für vertriebene Kinder, sondern auch für Kinder von Gastgebergemeinden, deren Schulen zwar noch stehen, aber völlig überfüllt sind.
„In einer Region, in der die Sicherheit der Zivilbevölkerung und ihr Zugang zu Grundversorgungsleistungen durch Unsicherheit und Konflikt zunehmend bedroht sind, haben wir die kollektive Pflicht zu handeln und sicherzustellen, dass Schulen für gewaltsam vertriebene Kinder und Jugendliche sowie für die Gastgebergemeinden sichere Orte bleiben“, sagt Xavier Creach, stellvertretender Direktor des UNHCR-Regionalbüros für Zentral- und Westafrika.
Die 13-jährige Esther hat bei einem Angriff durch eine bewaffnete Gruppe auf ihr Dorf Otomabere in der Provinz Ituri ihren Vater verloren. Sie floh zusammen mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern und ließ ihren Alltag als kleines Mädchen zurück. „Viele Dinge in meinem Leben haben sich verändert. Ich habe nichts von meinen Freunden gehört. Ich weiß noch nicht einmal, ob sie noch am Leben sind. Und wenn, dann glaube ich nicht, dass sie noch leben oder schreiben können, da die Schulen in Otomabere seit zwei Jahren geschlossen sind“, sagt Esther, die nun in Oicha in der Provinz Nord-Kivu zur Schule geht. „Ich würde gern einen Beruf erlernen, Schneiderin zum Beispiel, da mein Vater nicht mehr bei uns ist, um mich finanziell zu unterstützen“, fügt sie hinzu.
„Der Schutz von Schulen vor Bedrohungen und Gewalt ist ein entscheidender Schritt, um den Kreislauf der Krise zu unterbrechen und die Wahrscheinlichkeit künftiger Konflikte zu verringern“, sagt Felicité Tchibindat, Regionaldirektorin der UNICEF für West- und Zentralafrika. „Schulen sollten sichere Orte für Kinder sein.“
In der Region beeinträchtigen Schulschließungen die Ausbildung von 2,5 Millionen Schüler*innen, einschließlich einer Million in Burkina Faso. Die Folgen für diese Kinder und Jugendlichen sind verheerend. „Die ältesten Kinder sind Risiken wie zum Beispiel Missbrauch, ungewollter Schwangerschaft und Ausbeutung ausgesetzt“, sagt Etiendem Bridget, 54, ein vertriebener Lehrer in Buéa, Kamerun.
Vor dem Hintergrund langwieriger Konflikte und Krisen steht die Zukunft ganzer Generationen auf dem Spiel. Und das wird sich nicht ändern, wenn Regierungen und andere wichtige Akteure in der Region nicht unverzüglich handeln.
Hinweise an Redakteure:
- Der neue Bericht der Regional Education in Emergencies Working Group “Education Under Attack in West and Central Africa – 2023 Update” ist auf Englisch verfügbar.
- Laut den neuesten verfügbaren Daten wurden bis Juli 2023 insgesamt 13.263 Schulen geschlossen (Quellen: UNHCR, ACLED, Insecurity Insight, GCPEA, Education Clusters).
- In der zentralen Sahelzone wurden bis Juli 2023 über 8.858 Schulen geschlossen, mit mehr als 6.149 geschlossenen Schulen mehr als zwei Drittel davon allein in Burkina Faso (Quellen: UNHCR, ACLED, Insecurity Insight, GCPEA, Education Clusters).
- Zwischen Januar und August 2023 wurden 147 Vorfälle gegen Schulen in der Region gemeldet (Quellen: ACLED).
- Die Safe Schools Declaration ist eine zwischenstaatliche politische Verpflichtung zum Schutz von Schüler*innen, Lehrpersonal, Schulen und Universitäten vor den schlimmsten Folgen bewaffneter Konflikten.
- 2,5 Millionen Kinder sind (Stand August 2023) von den Schulschließungen in der Region betroffen (Quelle: Education Cluster).
- In Zentral- und Westafrika wurden bis September erst 3,9 Prozent der für die Bildung veranschlagten Mittel bereitgestellt (UNOCHA).
Video
- In der blockierten Stadt Pama im Osten Burkina Fasos sind nur zwei von acht Schulen in Betrieb. Sechs Lehrkräfte und einige Freiwillige kümmern sich derzeit in Pama um über 1.000 Kinder. Ein Video in Rohfassung ist in Englisch und Französisch verfügbar (NRC).
Für weitere Informationen oder für Interviews kontaktieren Sie bitte:
- NRC globale Medienhotline: media@nrc.no, +47 905 62329
- Alpha Seydi Ba, leitender Kommunikationsbeauftragter, UNHCR Regionalbüro für West- und Zentralafrika: baalp@unhcr.org, +221 77 345 74 54
- Charlotte Bequin, Bildungsbeauftragte, UNHCR Regionalbüro für West- und Zentralafrika: berquin@unhcr.org, +221 77 529 31 04
- John James, Kommunikationsspezialist (Nothilfe und Öffentlichkeitsarbeit), UNICEF Regionalbüro WCA: jjames@unicef.org, +221 78 638 0252