Nach mehrmaliger Flucht leben Ali und seine Familie mit drei kleinen Kindern im vierten Stock eines zerbombten Hauses in Khan Yunis. Foto: Amjad Al Fayoumi/NRC

Das menschliche Leid in Gaza ist nahezu beispiellos

Nach 13 Monaten unerbittlicher Gewalt haben die Palästinenser*innen in Gaza alles verloren.
Pressemitteilung
Israel Palästina
Veröffentlicht 07. Nov. 2024

Bei seinem Besuch in Gaza in dieser Woche wurde Jan Egeland, Generalsekretär des Norwegian Refugee Council (NRC), Zeuge des nahezu beispiellosen Leids der dort lebenden Familien. 

„Die völlige Zerstörung, die ich diese Woche in Gaza-Stadt und anderen städtischen Gebieten im Norden und im Zentrum des Gazastreifens gesehen habe, ist schlimmer als alles, was ich mir als langjähriger humanitärer Helfer vorstellen kann“, sagte Egeland. „Was ich im Norden von Gaza gesehen und gehört habe, war eine Bevölkerung, die über die Grenzen ihrer Belastbarkeit hinaus getrieben wurde. Familien wurden auseinandergerissen, Männer und Jungen verhaftet und von ihren Angehörigen getrennt, und Familien konnten nicht einmal ihre Toten begraben. Manche haben seit Tagen nichts gegessen, Trinkwasser ist nirgendwo zu finden. Ein Bild absoluter Verzweiflung reiht sich an das andere.“ 

„Dies ist in keiner Weise eine rechtmäßige Reaktion, eine gezielte Operation zur Selbstverteidigung, um bewaffnete Gruppen zu zerschlagen, oder eine Kriegsführung, die mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar ist. Was Israel hier mit aus dem Westen gelieferten Waffen macht, ist ein dicht besiedeltes Gebiet für fast zwei Millionen Zivilist*innen unbewohnbar zu machen. 

„Die Familien, Witwen und Kinder, mit denen ich gesprochen habe, ertragen ein in der jüngsten Geschichte nahezu beispielloses Leiden. Es gibt keine mögliche Rechtfertigung für anhaltenden Krieg und Zerstörung. Um den Verlust zehntausender weiterer unschuldiger Menschenleben zu verhindern, brauchen wir einen sofortigen Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und willkürlich Inhaftierten und den Beginn eines echten Friedensprozesses.“ 

Trotz des Ausmaßes der Krise hat die israelische Politik dazu geführt, dass die Hilfe nur in sehräußerst geringem Umfang bei den Bedürftigen ankommt. 91 Prozent der Bevölkerung in Gaza sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, 16 Prozent sogar in einem katastrophalen Ausmaß, so dass sie vom Hungertod bedroht sind. 

Zivilist*innen in Gaza haben nirgends einen sicheren Zufluchtsort. Palästinensische Familien sind weiterhin gezwungen, von einem unsicheren Gebiet in ein anderes zu ziehen. Die 62 aktiven israelischen Umsiedlungsbefehle zielen darauf ab, die Palästinenser*innen auf nur 20 Prozent des Gazastreifens zu beschränken, ohne ihnen Sicherheit oder Rückkehr zu garantieren. Dies stellt eine Zwangsumsiedlung dar - eine schwere Verletzung des Völkerrechts. 

„Die Situation in Gaza ist heute für alle Palästinenser*innen tödlich. Sie ist tödlich für diejenigen, die als humanitäre Helfer*innen die Bedürftigen unterstützen, und für diejenigen, die als Journalist*innen versuchen, die Schrecken vor Ort zu dokumentieren. Israel hat wiederholt Einrichtungen der Vereinten Nationen angegriffen und eine Barriere nach der anderen für humanitäre Hilfe errichtet - sowohl physisch als auch bürokratisch. Diese Woche habe ich die katastrophalen Auswirkungen der Unterbrechung der Hilfslieferungen gesehen. Seit Beginn des Krieges gab es keine einzige Woche, in der ausreichend Hilfsgüter in Gaza ankamen“, sagte Egeland. 

Fast zwei Millionen Menschen sind im Gazastreifen auf der Flucht und haben Schwierigkeiten, Grundnahrungsmittel und Medikamente zu bekommen. Angesichts des nahenden Winters haben viele nicht einmal Zelte oder Planen, um sich zu schützen, und die meisten Hilfsgüter können die Grenzübergänge aufgrund der unsicheren Lage, der aktiven Feindseligkeiten und der weit verbreiteten Zerstörung nicht passieren. 

Im Norden des Gazastreifens sind die Bedingungen unter der intensiven israelischen Belagerung besonders katastrophal. Schätzungsweise 100.000 Menschen im Gouvernement Nord-Gaza sind völlig von humanitärer Hilfe abgeschnitten, während die Vereinten Nationen „illegale Eingriffe in die humanitäre Hilfe“ verurteilen. 

Die israelischen Streitkräfte haben die Einrichtung sogenannter „humanitärer Blasen“ vorgeschlagen. Dies hat unter humanitären Helfer*innen die Befürchtung geweckt, dass es sich dabei um militarisierte Sperrzonen handeln könnte, die durch Zwangsumsiedlungen entstehen und große Gebiete von Palästinenser*innen entvölkern würden. In diesen Zonen würden die humanitäre Hilfe und die Bewegungsfreiheit wahrscheinlich politisch und militärisch kontrolliert, was den humanitären Prinzipien und sogar dem grundlegenden Schutz der Zivilbevölkerung widersprechen würde. 

„Dies sollte ein Weckruf für Entscheidungsträger*innen auf der ganzen Welt sein“, sagte Egeland.  

„Als ich im Februar Gaza besuchte, war ich zutiefst erschüttert von dem, was ich sah und den Geschichten, die ich hörte. Seitdem hat sich die Lage dramatisch verschlechtert. Die Machthabenden auf allen Seiten handeln ungestraft, während Millionen Menschen in Gaza und der Region einen schrecklichen Preis zahlen. Humanitäre Helfer*innen können über das sprechen, was wir sehen, aber nur die Entscheidungsträger*innen können diesen Albtraum beenden.“ 

Notizen für die Redaktionen: 

  • B-roll von Jan Egelands Besuch in Gaza steht hier kostenlos zur Verfügung
  • Fotos des Besuchs können stehen hier kostenlos zur Verfügung
  • Die jüngste Schätzung der Zahl der Binnenvertriebenen im Gazastreifen beläuft sich auf 1,9 Millionen Menschen (UNRWA).
  • Rund 100.000 Menschen verbleiben im nördlichen Gazastreifen (OCHA).
  • 91 Prozent der Menschen in Gaza sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen (IPC Phase 3+), davon 16 Prozent in katastrophalem Ausmaß (IPC Phase 5) (IPC).
  • Israel hat 87 Prozent des Gazastreifens als Teil von 66 Anordnungen zur Zwangsumsiedlung in 150 Vierteln ausgewiesen (OCHA).
  • Vier Anordnungen wurden widerrufen, 80 Prozent des Gazastreifens unterliegen weiterhin solchen Anordnungen (OCHA).
  • Zwischen dem 1. und 27. Oktober erreichten durchschnittlich 36 Lastwagen pro Tag Gaza, die niedrigste Zahl seit einem Jahr (OCHA).
  • Im Jahr 2024 ist Gaza der tödlichste Ort für humanitäre Helfer*innen (AWSD).
  • Im Jahr 2024 ist Gaza der tödlichste Ort für Journalist*innen (CPJ).
  • Angesichts der begrenzten Hilfe würde es mehr als zwei Jahre dauern, bis genügend Bausätze für Unterkünfte geliefert werden könnten (NRC-led Shelter Cluster).
  • Die USA warnen Israel vor den Bedingungen in Gaza und der Notwendigkeit, die Hilfe für Gaza zu erhöhen (Financial Times).
  • Umsiedlungen ohne Zusicherung von Sicherheit und Rückkehr gelten als Zwangsumsiedlungen (NRC).   

Für weitere Informationen oder zur Vereinbarung eines Interviews wenden Sie sich bitte an: 

  • Ed Prior, Media Adviser des Generalsekretärs, NRC Norwegian Refugee Council: ed.prior@nrc.no, +47 902 94 379
  • Zoe-Marie Lodzik, Communication Adviser, NRC Deutschland: zoemarie.lodzik@nrc-hilft.de, +49 151 578 60663 
  • NRC Norwegian Refugee Council weltweite Medien-Hotline: media@nrc.no, +47 905 62 329 

Bei seinem Besuch in Gaza in dieser Woche wurde Jan Egeland, Generalsekretär des Norwegian Refugee Council (NRC), Zeuge des nahezu beispiellosen Leids der dort lebenden Familien. 

„Die völlige Zerstörung, die ich diese Woche in Gaza-Stadt und anderen städtischen Gebieten im Norden und im Zentrum des Gazastreifens gesehen habe, ist schlimmer als alles, was ich mir als langjähriger humanitärer Helfer vorstellen kann“, sagte Egeland. „Was ich im Norden von Gaza gesehen und gehört habe, war eine Bevölkerung, die über die Grenzen ihrer Belastbarkeit hinaus getrieben wurde. Familien wurden auseinandergerissen, Männer und Jungen verhaftet und von ihren Angehörigen getrennt, und Familien konnten nicht einmal ihre Toten begraben. Manche haben seit Tagen nichts gegessen, Trinkwasser ist nirgendwo zu finden. Ein Bild absoluter Verzweiflung reiht sich an das andere.“ 

„Dies ist in keiner Weise eine rechtmäßige Reaktion, eine gezielte Operation zur Selbstverteidigung, um bewaffnete Gruppen zu zerschlagen, oder eine Kriegsführung, die mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar ist. Was Israel hier mit aus dem Westen gelieferten Waffen macht, ist ein dicht besiedeltes Gebiet für fast zwei Millionen Zivilist*innen unbewohnbar zu machen. 

„Die Familien, Witwen und Kinder, mit denen ich gesprochen habe, ertragen ein in der jüngsten Geschichte nahezu beispielloses Leiden. Es gibt keine mögliche Rechtfertigung für anhaltenden Krieg und Zerstörung. Um den Verlust zehntausender weiterer unschuldiger Menschenleben zu verhindern, brauchen wir einen sofortigen Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und willkürlich Inhaftierten und den Beginn eines echten Friedensprozesses.“ 

Trotz des Ausmaßes der Krise hat die israelische Politik dazu geführt, dass die Hilfe nur in sehräußerst geringem Umfang bei den Bedürftigen ankommt. 91 Prozent der Bevölkerung in Gaza sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, 16 Prozent sogar in einem katastrophalen Ausmaß, so dass sie vom Hungertod bedroht sind. 

Zivilist*innen in Gaza haben nirgends einen sicheren Zufluchtsort. Palästinensische Familien sind weiterhin gezwungen, von einem unsicheren Gebiet in ein anderes zu ziehen. Die 62 aktiven israelischen Umsiedlungsbefehle zielen darauf ab, die Palästinenser*innen auf nur 20 Prozent des Gazastreifens zu beschränken, ohne ihnen Sicherheit oder Rückkehr zu garantieren. Dies stellt eine Zwangsumsiedlung dar - eine schwere Verletzung des Völkerrechts. 

„Die Situation in Gaza ist heute für alle Palästinenser*innen tödlich. Sie ist tödlich für diejenigen, die als humanitäre Helfer*innen die Bedürftigen unterstützen, und für diejenigen, die als Journalist*innen versuchen, die Schrecken vor Ort zu dokumentieren. Israel hat wiederholt Einrichtungen der Vereinten Nationen angegriffen und eine Barriere nach der anderen für humanitäre Hilfe errichtet - sowohl physisch als auch bürokratisch. Diese Woche habe ich die katastrophalen Auswirkungen der Unterbrechung der Hilfslieferungen gesehen. Seit Beginn des Krieges gab es keine einzige Woche, in der ausreichend Hilfsgüter in Gaza ankamen“, sagte Egeland. 

Fast zwei Millionen Menschen sind im Gazastreifen auf der Flucht und haben Schwierigkeiten, Grundnahrungsmittel und Medikamente zu bekommen. Angesichts des nahenden Winters haben viele nicht einmal Zelte oder Planen, um sich zu schützen, und die meisten Hilfsgüter können die Grenzübergänge aufgrund der unsicheren Lage, der aktiven Feindseligkeiten und der weit verbreiteten Zerstörung nicht passieren. 

Im Norden des Gazastreifens sind die Bedingungen unter der intensiven israelischen Belagerung besonders katastrophal. Schätzungsweise 100.000 Menschen im Gouvernement Nord-Gaza sind völlig von humanitärer Hilfe abgeschnitten, während die Vereinten Nationen „illegale Eingriffe in die humanitäre Hilfe“ verurteilen. 

Die israelischen Streitkräfte haben die Einrichtung sogenannter „humanitärer Blasen“ vorgeschlagen. Dies hat unter humanitären Helfer*innen die Befürchtung geweckt, dass es sich dabei um militarisierte Sperrzonen handeln könnte, die durch Zwangsumsiedlungen entstehen und große Gebiete von Palästinenser*innen entvölkern würden. In diesen Zonen würden die humanitäre Hilfe und die Bewegungsfreiheit wahrscheinlich politisch und militärisch kontrolliert, was den humanitären Prinzipien und sogar dem grundlegenden Schutz der Zivilbevölkerung widersprechen würde. 

„Dies sollte ein Weckruf für Entscheidungsträger*innen auf der ganzen Welt sein“, sagte Egeland.  

„Als ich im Februar Gaza besuchte, war ich zutiefst erschüttert von dem, was ich sah und den Geschichten, die ich hörte. Seitdem hat sich die Lage dramatisch verschlechtert. Die Machthabenden auf allen Seiten handeln ungestraft, während Millionen Menschen in Gaza und der Region einen schrecklichen Preis zahlen. Humanitäre Helfer*innen können über das sprechen, was wir sehen, aber nur die Entscheidungsträger*innen können diesen Albtraum beenden.“ 

Notizen für die Redaktionen: 

  • B-roll von Jan Egelands Besuch in Gaza steht hier kostenlos zur Verfügung
  • Fotos des Besuchs können stehen hier kostenlos zur Verfügung
  • Die jüngste Schätzung der Zahl der Binnenvertriebenen im Gazastreifen beläuft sich auf 1,9 Millionen Menschen (UNRWA).
  • Rund 100.000 Menschen verbleiben im nördlichen Gazastreifen (OCHA).
  • 91 Prozent der Menschen in Gaza sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen (IPC Phase 3+), davon 16 Prozent in katastrophalem Ausmaß (IPC Phase 5) (IPC).
  • Israel hat 87 Prozent des Gazastreifens als Teil von 66 Anordnungen zur Zwangsumsiedlung in 150 Vierteln ausgewiesen (OCHA).
  • Vier Anordnungen wurden widerrufen, 80 Prozent des Gazastreifens unterliegen weiterhin solchen Anordnungen (OCHA).
  • Zwischen dem 1. und 27. Oktober erreichten durchschnittlich 36 Lastwagen pro Tag Gaza, die niedrigste Zahl seit einem Jahr (OCHA).
  • Im Jahr 2024 ist Gaza der tödlichste Ort für humanitäre Helfer*innen (AWSD).
  • Im Jahr 2024 ist Gaza der tödlichste Ort für Journalist*innen (CPJ).
  • Angesichts der begrenzten Hilfe würde es mehr als zwei Jahre dauern, bis genügend Bausätze für Unterkünfte geliefert werden könnten (NRC-led Shelter Cluster).
  • Die USA warnen Israel vor den Bedingungen in Gaza und der Notwendigkeit, die Hilfe für Gaza zu erhöhen (Financial Times).
  • Umsiedlungen ohne Zusicherung von Sicherheit und Rückkehr gelten als Zwangsumsiedlungen (NRC).   

Für weitere Informationen oder zur Vereinbarung eines Interviews wenden Sie sich bitte an: 

  • Ed Prior, Media Adviser des Generalsekretärs, NRC Norwegian Refugee Council: ed.prior@nrc.no, +47 902 94 379
  • Zoe-Marie Lodzik, Communication Adviser, NRC Deutschland: zoemarie.lodzik@nrc-hilft.de, +49 151 578 60663 
  • NRC Norwegian Refugee Council weltweite Medien-Hotline: media@nrc.no, +47 905 62 329