#1: Es ist eine komplexe Krise
Die humanitäre Krise in Somalia ist eine der langwierigsten und komplexesten der Welt. Das Land leidet sowohl unter einem bewaffneten Konflikt als auch immer schlimmer werdenden Klimaschocks in verschiedenen Regionen – einer gefährlichen Kombination, die massive Fluchtbewegungen, sowohl innerhalb Somalias als auch ins Ausland, ausgelöst hat.
Im Jahr 2018 wurden über 880.000 Somalierinnen und Somalier aus ihrer Heimat vertrieben. 300.000 flohen vor Gewalt und Angriffen, und über 500.000, hauptsächlich Bauern und Hirten, wurden durch die Folgen von Klimaschocks wie Überschwemmungen oder Dürren vertrieben. Für Hirten ist das Züchten und Hüten von Vieh die Haupteinnahmequelle und sie leben häufig in trockenen Gebieten. 60 Prozent der Bevölkerung Somalias sind Hirtengemeinden.
Dieses Jahr wurden zwischen Januar und November zusätzlich zu den bereits vier Millionen Somalierinnen und Somalier, die humanitäre Hilfe brauchen, weitere 575.000 Menschen vertrieben. Es ist schwierig, diese Menschen mit humanitärer Hilfe zu erreichen, weil sich viele Binnenvertriebene in Regionen aufhalten, in denen Kämpfe stattfinden und die nur über eine eingeschränkte Infrastruktur verfügen.
#2: Die Menschen leiden unter den Folgen der extremen Witterungsbedingungen
Im Jahr 2011 verhungerten in Somalia 260.000 Menschen. Die Hälfte davon waren Kinder. Fünf Jahre danach erlebte Somalia von 2016 bis 2017 eine weitere lange Dürreperiode, die über eine Million Menschen vertrieb. Glücklicherweise konnten die humanitären Hilfsorganisationen rechtzeitig eingreifen und eine weitere Hungersnot verhindern.
Im Jahr 2019 hat die Dürre Hunderttausende Menschenleben bedroht, die Gemeinden zusätzlich belastet, die verfügbaren humanitären Ressourcen aufgebraucht und 300.000 Menschen vertrieben.
Gegen Ende Oktober wurden durch ausgedehnte Überschwemmungen weitere 273.000 Menschen vertrieben und viele Gemeinden sind weiterhin extremem Starkregen ausgesetzt, der landwirtschaftliche Flächen, Häuser und Infrastruktur beschädigt. Über eine Woche nach Beginn der Überschwemmungen suchen Tausende Menschen in den am stärksten betroffenen Gebieten unter Bäumen oder in Notzelten Schutz, nachdem ihre Häuser weggeschwemmt wurden.
Vertriebene, insbesondere Kinder, Mütter und ältere Menschen in Gebieten, die aufgrund der unsicheren Lage ohnehin wenig oder gar keine humanitäre Hilfe erhält, sind nun in ernsthaften Hunger-, Gesundheits- und Schutzrisiken ausgesetzt.
Lesen Sie hier, wie NRC Flüchtlingshilfe Menschen hilft, die von Überschwemmungen betroffen sind. (Englisch)
Lesen Sie hier, wie NRC Flüchtlingshilfe Bauerngemeinden hilft, die von Dürren betroffen sind. (Englisch)
#3: Das Land leidet unter einem langwierigen, gewalttätigen Konflikt
In Somalia tobt ein bewaffneter Konflikt, der bereits nahezu drei Jahrzehnte andauert. In den letzten Jahren haben nicht-staatliche bewaffnete Gruppen Bombardierungen, Selbstmordattentate, bewaffnete Anschläge und Entführungen durchgeführt. Gleichzeitig haben Militäroperationen zu vereinzelten Todesfällen, Verletzungen und Vertreibungen unter der Zivilbevölkerung geführt.
In einigen Regionen muss die Zivilbevölkerung den bewaffneten Gruppen Gebühren zahlen. Andernfalls werden die Menschen dazu gezwungen, sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen. In anderen Gebieten nimmt der clanbezogene Konflikt unter den Hirten- und Bauerngemeinden zu, da die natürlichen Ressourcen infolge der Überschwemmungen und Dürren schwinden. All diese Aspekte machen die Bereitstellung von humanitärer Hilfe zu einer großen Herausforderung.
Seit mehreren Jahren führt die Gewalt dazu, dass die Menschen in die städtischen Gebiete fliehen, in denen Hilfe leichter zugänglich ist.
#4: Schlechter Gesundheitszustand und ansteckende Krankheiten kosten Menschenleben
Die Vertreibung und die Ernährungsunsicherheit haben verheerende Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung. 1,5 Millionen Menschen brauchten im Jahr 2019 aufgrund der unzureichenden Ernährung humanitäre Hilfe.
Im Jahr 2019 waren fast eine Million Kinder von akuter Mangelernährung bedroht, was schwerwiegende Folgen für ihre künftige Gesundheit und die der folgenden Generationen hat. Dies ist eine der Ursachen dafür, dass eins von sieben Kindern stirbt, bevor es fünf Jahre alt ist.
Darüber hinaus sind die Menschen in Somalia einem hohen Risiko von Krankheiten wie Cholera, Masern oder Durchfall ausgesetzt, die sich in den überfüllten Lagern und durch den Mangel an sauberem Wasser und Sanitäranlagen leicht ausbreiten können.
#5: Menschen fliehen in große Städte
Die verschiedenen Faktoren, die mit der Krise in Somalia in Zusammenhang stehen, zwingen die Menschen, in die Städte zu gehen, um humanitäre Hilfe zu suchen. Viele leben in Lagern oder inoffiziellen Siedlungen und haben nur begrenzt Zugang zu Informationen über ihre Rechte und verfügbare Dienstleistungen. Familien errichten provisorische Notunterkünfte, wo immer sie können, wo sie der Gefahr von Gewalt, Ausbeutung, Missbrauch und Krankheiten ausgesetzt sind.
Der Bedarf an Platz, Lebensmitteln, Wasser und Unterkünften ist eine große Belastung für die Ressourcen in den städtischen Gebieten. Die Kapazitäten der Gastgebergemeinden mit den begrenzten Systemen werden ausgeweitet, was zu Zwangräumungen und extremer Verwundbarkeit unter den Vertriebenen führt.
Viele Jahre lang sind die Menschen aus Somalia auch in Nachbarländer wie Kenia, Äthiopien, Uganda und den Jemen geflohen. Einige kehren nun nach Somalia zurück, entweder in der Hoffnung, ihr altes Leben wieder aufnehmen zu können, oder aufgrund der mangelnden Sicherheit in den Ländern, in denen sie Zuflucht gesucht haben.
Lesen Sie hier mehr darüber, wie NRC Flüchtlingshilfe die Vertreibungskrise in Somalia angeht. (Englisch)
#6: Somalia beherbergt Flüchtlinge aus anderen Ländern
Somalia hat auch selbst Geflüchtete aus Nachbarländern aufgenommen. Derzeit leben im Land 39.000 Flüchtlinge, hauptsächlich aus Äthiopien und dem Jemen.
In den kommenden Monaten erwartet Somalia über 90.000 Rückkehrer, die in Kenia und im Jemen Zuflucht gesucht haben.
#7: Frauen, Kinder und Minderheiten sind am meisten gefährdet
Frauen, Kinder und Angehörige von Minderheiten sind in Vertreibungssituationen besonders gefährdet.
Frauen und Mädchen, insbesondere, wenn sie in inoffiziellen städtischen Lagern leben, sind der Gefahr von geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt und haben häufig nicht dieselben Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, wie andere. Der Mangel an angemessener Infrastruktur zwingt viele Frauen und Mädchen, in gefährliche Gegenden zu gehen, um Wasser oder Feuerholz zu finden, wodurch sie zusätzlichen Risiken ausgesetzt sind. Viele suchen Unterstützung bei den Hilfsorganisationen.
Haushalte, die von Frauen oder Kindern geführt werden, und Angehörige von Minderheiten werden dadurch anfälliger, dass sie hier ihre sozialen und kommunalen Netzwerke nicht um sich haben. Vertriebene, die anderen Clans angehören als die ihrer Gastgebergemeinde, sind einem erhöhten Risiko von Gewalt und Missbrauch ausgesetzt.
Ein Drittel der Menschen, die Unterstützung brauchen, sind Kinder. Die meisten davon mussten ihre Schulbildung abbrechen. Das macht sie anfälliger für Ausbeutung durch Kinderarbeit, einschließlich des möglichen Einsatzes in Kämpfen.
Lesen Sie hier mehr darüber, wie NRC Flüchtlingshilfe somalische Frauen stärkt.
Was wir tun:
Unsere Nothilfeteams sind vor Ort und reagieren auf den ständig steigenden Bedarf der Binnenvertriebenen. Wir helfen den Menschen, die zur Flucht gezwungen sind, durch den Bau von Unterkünften bis hin zur Bewältigung landwirtschaftlicher Probleme, damit sie neue Fähigkeiten erwerben können, die ihre Widerstandsfähigkeit gegen künftige Schocks erhöhen.
- Wir helfen Menschen, die in Gebieten leben, die sehr schwer erreichbar sind. Diese Menschen erhalten aufgrund der Schwierigkeiten, diese Gebiete zu erreichen, oft wenig Unterstützung und haben häufig nicht die Mittel, um an einen anderen Ort zu fliehen.
- Wir errichten in den Lagern Latrinen und Wassersysteme, die sowohl den Menschen als auch ihrem Vieh helfen.
- Wir bekämpfen die weitverbreitete Ernährungsunsicherheit durch Bargeldhilfe und Seminare zum Thema Ernährung und Lebensunterhalt. Außerdem setzen wir uns für den Umweltschutz ein.
- Wir bieten Nachholkurse und Jugendbildungsprogramme an, schulen Lehrkräfte und bauen Klassenräume wieder auf.
- Wir unterstützen die sichere Rückkehr von somalischen Geflüchteten, sensibilisieren für die Rechte von Vertriebenen und bieten Beratung in Fragen rund ums Land- und Eigentumsrecht an.
- Wir errichten temporäre und dauerhafte Unterkünfte für Binnenvertriebene und verteilen wichtige Haushaltsgegenstände.