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Es handelt sich dabei um Menschen, die vor Verfolgung, Gewalt und bewaffneten Konflikten geflohen sind. Gegenüber 2017 ist die Zahl um 2,3 Millionen gestiegen. Es ist das siebte Jahr in Folge, dass die Anzahl der Menschen auf der Flucht zugenommen hat. Hier erfahren Sie mehr über die Krisen, die auf der ganzen Welt Menschen dazu zwingen, aus ihrer Heimat zu fliehen.
Die Zahlen sind dramatisch und die höchsten, die je verzeichnet wurden. Dieser ununterbrochene Negativtrend über einen so langen Zeitraum hinweg ist für die internationale Gemeinschaft ein großer Rückschlag. Allein im Jahr 2018 wurden 10,8 Millionen Menschen durch Konflikte und Menschenrechtsverletzungen innerhalb ihres eigenen Landes vertrieben, so das Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC).
Mangelnder politischer Wille und unzureichende Diplomatie haben Millionen Menschen aus ihrer Heimat in eine ungewisse Zukunft getrieben. Diesen Menschen fehlt es an Nahrung, Wasser, Bildung und – nicht zuletzt – an Schutz. Darüber hinaus hat sich die Kluft zwischen Bedarf und Finanzierung der humanitären Hilfe weiter vergrößert. In den letzten fünf Jahren wurden nur rund 60 Prozent der für die humanitäre Hilfe veranschlagten Mittel tatsächlich bereitgestellt. Zwischen 2007 und 2009 lag dieser Wert noch bei 72 Prozent. Es wäre zu erwarten, dass die Politik und die internationale Gemeinschaft angesichts der eskalierenden Probleme ihre Bemühungen verstärken – jedoch ist das Gegenteil der Fall.
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Ungleichheit schafft Konflikte
Ungleichheit und Ausgrenzung sind zwei wichtige Faktoren, die Konflikte auslösen. Es ist ein globales Phänomen, das in so unterschiedlichen geografischen Regionen wie Myanmar, Afghanistan, einem großen Teil des Nahen Ostens, in der Sahelzone und in Kolumbien auftritt. Besonders bedrohlich wird es dann, wenn Ungleichheit mit ethnischen und religiösen Differenzen einhergeht und die Behörden nicht den politischen Willen oder die Möglichkeiten haben, den Konflikt zu lösen, bevor Gewalt ausbricht. Diese Art von Konflikt, bei der eine ganze Gruppe als „der Feind“ definiert wird, trifft die Zivilbevölkerung besonders hart. Die treibende Kraft hinter organisierter Gewalt können bewaffnete Gruppen, kriminelle Banden oder Eliten sein, die Gewalt anwenden, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen.
Über die Hälfte aller Menschen auf der Flucht sind Kinder
Mehr als die Hälfte der Geflüchteten und Vertriebenen auf der Welt sind Kinder. Die aktuellen bewaffneten Konflikte betreffen zunehmend die Städte und andere Ballungsräume, was besonders Kinder gefährdet. In vielen Konfliktgebieten wie Syrien und im Jemen stehen nun auch Schulen und Krankenhäuser unter Beschuss. Die Kinder erhalten weder Bildung noch medizinische Versorgung und haben nicht genug zu essen.
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Ein ganzes Leben auf der Flucht
Viele Konflikte dauern nicht nur einige Jahre, sondern Jahrzehnte an. Palästinenserinnen und Palästinenser, die in den 1960er Jahren Kinder waren, werden nun bereits Großeltern, und ihre Familien leben noch immer als Vertriebene fern von ihrem Heimatland. Die Gefahr derart langwieriger Konflikte besteht darin, dass sie mit der Zeit als „normaler Zustand“ eines Landes angesehen werden, was wiederum zu Spendenmüdigkeit und damit zu weniger Geld für die humanitäre Arbeit führt.
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Afrika und der Nahe Osten
Auf globaler Ebene gesehen sind es die Entwicklungen in Subsahara-Afrika und im Nahen Osten, die in den letzten Jahren am meisten Anlass zur Besorgnis gegeben haben. In Subsahara-Afrika wurden im Jahr 2018 aufgrund von Konflikten und Gewalt 7,4 Millionen Menschen im eigenen Land vertrieben. 2017 waren es 5,5 Millionen. Im Jahr 2018 flohen 670.000 Afrikanerinnen und Afrikaner in andere Länder.
Afrika wird vergessen
Es gab in den letzten Jahren ein klares Muster, das gezeigt hat, dass afrikanische Flüchtlingskrisen die Liste der vergessenen Krisen, die jedes Jahr von NRC veröffentlicht wird, klar anführen. Sieben von zehn Ländern und die ersten vier auf der diesjährigen Liste waren afrikanische Länder.
Eine Ursache ist das Andauern der langwierigen Konflikte wie etwa in der Demokratischen Republik Kongo, in der Zentralafrikanischen Republik und in Mali. Gleichzeitig sind in Ländern wir Kamerun und Äthiopien mehrere neue Konflikte ausgebrochen. Die Demokratische Republik Kongo stand 2018 an erster Stelle der Liste und ist dieses Jahr Nummer Zwei.
Als Äthiopien und Eritrea im Juli 2018 ein Friedensabkommen unterzeichneten, weckte dies am ganzen Horn von Afrika – einer der konfliktreichsten Regionen des Kontinents – die Hoffnung auf positive Entwicklungen. Der Grenzkrieg zwischen den beiden Ländern hatte 1998 begonnen und mindestens 80.000 Menschen das Leben gekostet. Es erscheint paradox, dass Äthiopien, trotz der positiven politischen Veränderungen und der Unterzeichnung eines Friedensabkommens mit Eritrea, im vergangenen Jahr die höchste Zahl an neuen Binnenvertriebenen verzeichneten. Allein 2018 wurden in Äthiopien 2,9 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Lokale und ethnische Konflikte dehnten sich auf neue Gebiete aus. Auch die Dürre war ein wichtiger Faktor, wodurch sich der Kampf um Boden und die knappen Ressourcen weiter verschärfte. Äthiopien hat zudem noch fast eine Million Geflüchtete aus anderen Ländern wie Eritrea, Somalia und dem Südsudan aufgenommen.
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Krise in der Sahelzone
In der Sahelzone, einer Region, die sich südlich der Sahara über den afrikanischen Kontinent erstreckt, wurden in einigen der ärmsten und schutzlosesten Ländern der Welt Millionen Menschen vertrieben. Dies führt nicht nur zu gewaltigen humanitären Krisen, sondern hemmt auch in weiten Teilen der Region die Entwicklung. Die EU und die internationale Gemeinschaft haben sich weitgehend auf Sicherheitsmaßnahmen konzentriert, um Menschen auf dem Weg nach Europa aufzuhalten, ohne jedoch ausreichend Mittel bereitzustellen, um den enormen humanitären Bedarf zu decken, der eine der Ursache der Migrationsbewegungen ist. Im Jahr 2018 wurden nur 58 Prozent der von den Vereinten Nationen veranschlagten Mittel für die Region bereitgestellt. Das bedeutet, dass viele Menschen in großer Not keine angemessene Hilfe oder gar keine Hilfe erhalten haben.
Die Konflikte in Nigeria und Mali breiten sich aus
Der Konflikt in Mali, der 2012 ausbrach, hat erhebliche Auswirkungen auf mehrere Länder in der Sahelzone. Die Sicherheitslage im Land hat sich im Laufe des Jahres 2018 weiter verschlechtert, die Gewalt hat sich vom Norden in zentralere Teile des Landes ausgebreitet. Allein in den fünf Monaten von Jänner bis Mai 2019 wurden infolge von Gewalt und Militäroperationen 133.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Es besteht die große Gefahr, dass der Konflikt sich im Laufe des Jahres weiter verschärft. Die Situation bedeutet auch für das benachbarte Burkina Faso erhebliche negative humanitäre und sicherheitspolitische Auswirkungen.
Der bewaffnete Konflikt im Nordosten Nigerias hat weiterhin Auswirkungen auf alle Länder rund um den Tschadsee. Angriffe durch die nigerianische bewaffnete Gruppe Boko Haram haben Niger, Tschad und Kamerun getroffen und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Gewalt sich auf weitere Regionen ausdehnt.
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Zunehmende Gewalt in Kamerun
Im Jahr 2018 haben Gewalt und politische Unruhen in den englischsprachigen Regionen Kameruns dramatisch zugenommen. Demonstrationen und Proteste gegen die Behörden im Jahr 2016 führten zu Auseinandersetzungen und später zu bewaffneten Konflikten. Derzeit gibt es im englischsprachigen Teil Kameruns eine halbe Million Vertriebene und zusätzlich geschätzte 250.000 Binnenvertriebene in der Region Far North sowie 79.000 Geflüchtete aus Nigeria. Kamerun hat außerdem über 250.000 Geflüchtete aus der Zentralafrikanischen Republik aufgenommen, die seit 2014 in den Regionen Ost, Nord und Adamawa leben.
Zentralafrikanische Republik und Südsudan: Von Unsicherheit geplagt
Die Zentralafrikanische Republik lag nach dem Jemen und Syrien im Jahr 2018 an dritter Stelle auf der Liste der schlimmsten humanitären Krisen, gemessen am Anteil der von humanitärer Hilfe abhängigen Bevölkerung. Eine von vier Personen wurde aus ihrer Heimat vertrieben. Im letzten Jahr haben die Geberländer weniger als die Hälfte der Mittel bereitgestellt, die zur Deckung des humanitären Bedarfs nötig gewesen wären. Die Regierung unterzeichnete im Februar 2018 mit 14 bewaffneten Gruppen im Land ein Friedensabkommen – es ist seit 2012 bereits das siebente.
Anfang 2019 lebten im Südsudan 1,9 Millionen Binnenvertriebene, während 2,3 Millionen Menschen in Nachbarländern Zuflucht gesucht haben. Die Konfliktparteien unterzeichneten im September 2018 ein Friedensabkommen, es gelang ihnen jedoch nicht, eine Übergangsregierung zu bilden. Obwohl die Kämpfe nachgelassen haben, hält die Gewalt in mehreren Teilen des Landes weiter an. Die humanitäre Hilfe ist indes stark unterfinanziert und die humanitäre Situation verschlechtert sich, da Millionen Menschen mit einer wachsenden Hungerkrise konfrontiert sind.
Gefahr eines anhaltenden Kriegs in Libyen
In Nordafrika hat sich die Situation in Libyen im Jahr 2018 deutlich verschlechtert. Mindestens 70.000 Menschen sind aufgrund von Gewalt und Konflikt auf der Flucht, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Kämpfe in und um die Städte haben die Infrastruktur und den Zugang zur Grundversorgung zerstört. Im Frühjahr 2019 kam es in der Hauptstadt Tripolis erneut zu Kämpfen.
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Konflikt und Dürre in Somalia
Die humanitäre Krise in Somalia besteht seit Jahrzehnten. Die Kombination von Konflikt und Dürre zwingt nach wie vor jedes Jahr Hunderttausende Menschen zur Flucht. Im vergangenen Jahr wurden infolge von Konflikt und Unsicherheit über 320.000 Menschen innerhalb Somalias vertrieben. Das entspricht verglichen mit den Zahlen von 2017 einer Zunahme von 50 Prozent. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres flohen laut UNHCR über 578.000 Menschen wegen des Konflikts oder der Dürre aus ihrer Heimat. So wie auch bei mehreren anderen afrikanischen Krisen führte die verminderte Finanzierung der humanitären Hilfe in Somalia zu einer Kürzung der Grundversorgung für Vertriebene, vor allem im Hinblick auf Nahrung, Wasser, Gesundheit und Bildung.
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Weniger Unterstützung für afrikanische Gastgeberländer
In Ostafrika wurde die Unterstützung für humanitäre Hilfsmaßnahmen in wichtigen Gastgeberländern wie Uganda, Kenia und Tansania im Jahr 2018 drastisch gekürzt. In Tansania leben derzeit 318.000 Geflüchtete, hauptsächlich aus der Demokratischen Republik Kongo und Burundi. Lediglich 27 Prozent der 2018 benötigten Mittel wurden bereitgestellt. Die reichen Länder, die eine zunehmend restriktive Flüchtlingspolitik betreiben, unterstützen die Länder, die nach wie vor große Zahlen von Geflüchteten aufnehmen, weniger. In Ostafrika leben etwa zwei Millionen Geflüchtete, während die Anzahl der insgesamt in Europa ankommenden Menschen deutlich sinkt.
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Keine politische Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt in Sicht
Seit der Gründung des Staates Israel und der anschließenden Vertreibung hunderttausender Palästinenserinnen und Palästinenser sind über 70 Jahre vergangen. 4,8 Millionen Menschen in den besetzten Gebieten leben nach wie vor in Unsicherheit – die Hälfte von ihnen braucht humanitäre Hilfe.
Obwohl die Völkerrechtsverletzungen in den internationalen Medien regelmäßig Beachtung finden, wird auf politischer Ebene wenig getan und eine Lösung scheint weiter entfernt denn je. 2018 kündigten die US-Behörden an, die bilaterale Hilfe für Palästina um 200 Millionen US-Dollar zu kürzen, während die Bedingungen für die Palästinenserinnen und Palästinenser zunehmend schwieriger werden.
Der Spendenaufruf der UN für 2018 erhielt nur 45,7 Prozent der Mittel, die nötig gewesen wären, um den 2,5 Millionen Menschen in Not zu helfen.
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Erholung in Syrien und Irak erwartet
Die syrische Regierung hat im Jahr 2018 immer mehr Gebiete des Landes zurückgewonnen. Im Frühjahr 2019 halten nicht-staatliche bewaffnete Gruppen nach wie vor Gebiete im Nordwesten des Landes, während die kurdisch geführten Streitkräfte Gebiete im Nordosten kontrollieren. Über die Hälfte der syrischen Bevölkerung wurde während des Konflikts vertrieben und 11,7 Millionen brauchen humanitäre Hilfe. Der Konflikt in Syrien hat zur größten Flüchtlingskrise unserer Zeit geführt. Insgesamt 6,5 Millionen Syrerinnen und Syrer sind aus dem Land geflüchtet, während 6,2 Millionen innerhalb des Landes auf der Flucht sind. Viele Familien wurden bereits mehrere Male zur Flucht gezwungen. Zwischen 2016 und April 2019 sind laut UN 166.800 syrische Geflüchtete aus eigenem Antrieb nach Syrien zurückgekehrt. Mangelnde Sicherheit, anhaltende Gewalt und schwierige Regionalpolitik sorgen für große Unsicherheit darüber, was im Jahr 2019 geschehen wird. Der einzige Weg, wie mehr Menschen sicher nach Hause zurückkehren können, ist, dass die Konfliktparteien zu einer nachhaltigen politischen Lösung gelangen und dass Dienstleistungen und Schutzmaßnahmen für Geflüchtete in der Region fortgesetzt werden.
Im Irak sind im Jahr 2018 fast eine Million Binnenvertriebene in ihre Heimat zurückgekehrt. Die Zahl der Vertriebenen sank um 813.156. Anfang 2018 war die Anzahl der Rückkehrer erstmals seit Beginn des Konflikts mit dem IS im Jahr 2014 höher als die Anzahl der Vertriebenen. Bis Juni 2019 konnten über 4 Millionen Irakerinnen und Iraker nach Hause zurückkehren. Viele leben dort jedoch unter katastrophalen Bedingungen, einige davon im wahrsten Sinne des Wortes in den Trümmern ihrer Häuser. Der Wiederaufbau muss beschleunigt werden. Mehrere hunderttausend Jesidinnen und Jesiden, die vom IS systematisch angegriffen und vertrieben wurden, sind immer noch nicht zurückgekehrt. Fehlende Unterlagen sind eines der Hauptprobleme, die hunderttausende Irakerinnen und Iraker an ihrer Rückkehr hindern. Über 45.000 undokumentierte Kinder in den Lagern werden ihrer Rechte als irakische Bürgerinnen und Bürger beraubt: Sie können weder ihr Lager verlassen, noch sich an Schulen anmelden oder medizinische Versorgung in Anspruch nehmen. Zusammen mit den Bemühungen um Wiederaufbau und Versöhnung muss dieses Problem im Jahr 2019 vorrangig angegangen werden, um sicherzustellen, dass alle irakischen Vertriebenen bessere Bedingungen für ihre Rückkehr haben und der Irak auf dem Weg des Wiederaufbaus bleibt.
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Jemen – die größte humanitäre Krise der Welt
2018 war ein erschütterndes Jahr für den Jemen. Rund 80 Prozent der 24 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner des Landes sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Im Herbst 2018 erlebte die Bevölkerung einer der schlimmsten Hungerkatastrophen, die es jemals gab. Eine Blockade des See-, Land- und Luftverkehrs brachte Millionen von Jemeniten an den Rand der Katastrophe. Am 18. Dezember 2018 wurde in der Hafenstadt Hodeidah ein Waffenstillstand unterzeichnet. Dadurch ging die Zahl der durch Luftangriffe getöteten Zivilisten zurück. Obwohl die Verluste in der Zivilbevölkerung in Hodeidah insgesamt zurückgegangen sind, bleibt diese Zahl immer noch hoch. In anderen Gebieten ist die Gewalt allerdings eskaliert, wobei Landminen, Scharfschützen und unkonventionelle Sprengvorrichtungen zusehends mehr zivile Opfer forderten. Außerdem haben starke Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln und Cholera-Ausbrüche die Bevölkerung schwer getroffen. Seit der Eskalation des Konflikts vor zweieinhalb Jahren sahen sich über drei Millionen Menschen zur Flucht aus ihren Häusern gezwungen, davon gelten heute zwei Millionen als Vertriebene, so die UNO.
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Dürre und Konflikt trafen Afghanistan schwer
In immer mehr Gebieten Afghanistans hat sich die Sicherheitslage verschärft. 2018 war mit 3.800 Toten und 7.000 Verletzten das Jahr, das bisher die meisten Toten in der Zivilbevölkerung gefordert hat. Die Parlamentswahl im Oktober 2018 war eine der blutigsten des Landes. Im Juli 2018 trockneten Dürren weite Gebiete aus, und bis zum Ende des Jahres waren 807.000 Menschen durch die Verbindung aus Konflikt, Dürre und Hunger gezwungen, aus ihren Häusern zu fliehen. Mehr als 371.000 Menschen wurden als direkte Folge des Konflikts innerhalb Afghanistans vertrieben. Derzeit leben rund drei Millionen Menschen, die zur Flucht gezwungen wurden, außerhalb des Landes – die meisten davon im Iran und in Pakistan. Hunderttausende Geflüchtete sahen keine andere Möglichkeit, als aus den Nachbarstaaten in das vom Krieg zerrüttete Land zurückzukehren. Ein Bericht von NRC zeigt, dass sieben von zehn Menschen, die nach Afghanistan zurückkehren, gezwungen sind, erneut zu fliehen.
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Das größte Flüchtlingscamp der Welt liegt in Bangladesch
Im August 2017 flohen 750.000 Menschen, die der muslimischen Minderheit Rohingya angehören, aus dem Rakhine-Staat in Myanmar. Sie überquerten die Grenze ins benachbarte Bangladesch, wo sie sich nun auf dem politischen Abstellgleis befinden. Die Regierung von Bangladesch verwehrt diesen Menschen den Flüchtlingsstatus und alle damit verbundenen Rechte. Eine Rückkehr nach Myanmar steht nicht wirklich in Aussicht, denn dort befürchten sie anhaltende Verfolgung und weitere Gewalt. Die internationale Gemeinschaft bemüht sich, die Behörden in Myanmar und Bangladesch in die Verhandlung eines Abkommens zur Rückkehr der Geflüchteten einzubeziehen. Doch Fortschritte stellen sich nur langsam ein. Diese Umstände verbessern die Aussicht auf eine sichere, freiwillige und dauerhafte Rückkehr nicht. Fast eine Million der geflüchteten Rohingya lebt heute in 34 überfüllten und unterversorgten Camps entlang der Grenze Bangladeschs zu Myanmar. Allein im Camp Kutupalong, dem größten der Welt, leiden rund 632.000 zur Flucht gezwungene Menschen unter einem unzureichenden Zugang zu grundlegenden Bedürfnissen wie Gesundheitsversorgung, Bildung und sicheren Unterkünften. Während Bangladesch weiterhin als sicherer Hafen für die steigende Zahl von Menschen gilt und Unterstützung gewährt, ist die lokale Gastgeber-Gemeinde durch den massiven Zustrom stark betroffen. Die vorhandenen Ressourcen sind stark beansprucht, wobei Inflation und Niedriglöhne auf den Überschuss an billigen Arbeitskräften zurückgehen.
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Wachsende Gewalt in Myanmar
In Myanmar haben Angriffe der bewaffneten Gruppe Arakan-Armee und Gegenangriffe des Militärs in den ersten vier Monaten des Jahres 2019 33.000 Menschen in den Staaten Rakhine und Chin vertrieben. Damit rückt eine mögliche Rückkehr von geflüchteten Rohingya aus Bangladesch noch weiter in die Ferne. Im Nordosten Myanmars wurde der Waffenstillstand zwischen der Regierung und der Kachin Independence Army (KIA) vorübergehend verlängert. Allerdings ist das Risiko für neue Kämpfe und Vertreibungen in der Region nach wie vor groß. Myanmar ist auch sehr anfällig für durch Naturgefahren verursachte Katastrophen. So wurden in August und September 2018 150.000 Menschen aufgrund von Überschwemmungen aus ihren Häusern im Südosten des Landes vertrieben.
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Große Probleme beim Friedensprozess in Kolumbien
Vor drei Jahren unterzeichneten Kolumbiens Regierung und die bewaffnete Gruppe der FARC ein Friedensabkommen. Bis heute jedoch konnten die Behörden des Landes noch keine Sicherheit in den vormals FARC-EP-kontrollierten Gebieten herstellen. In das Machtvakuum, das die FARC hinterlassen hat, zogen die Guerillagruppe ELN und kriminelle Gruppen ein. Eine weitere Belastung ist die ansteigende Kokaproduktion in den letzten Jahren. Seit Dezember 2016 wurden mindestens 460 Führungspersönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft und über 130 demobilisierte FARC-Soldaten getötet.
Insgesamt 145.000 Menschen wurden 2018 aufgrund von Kämpfen zwischen bewaffneten Gruppen, Drohungen oder Erpressung aus ihren Häusern vertrieben. Dies sind deutlich mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig schwinden Mittel für die Unterstützung der Vertriebenen in Kolumbien zusehends. Die zweitgrößte vertriebene Bevölkerung der Welt lebt in diesem Land – hinter Syrien. Und acht von zehn Menschen, die der Bürgerkrieg in Kolumbien zur Flucht gezwungen hat, haben nicht die versprochene Entschädigung für die an ihnen begangenen Verbrechen erhalten.
Eine regionale Krise in Lateinamerika
Die venezolanische Flüchtlingskrise hat sich im ersten Quartal 2019 weiter verschärft. Neben den 500.000 Venezolanern, die in anderen Ländern Asyl beantragt haben, sind weitere 2,6 Millionen angrenzende Länder geflohen, ohne als Geflüchtete registriert zu sein. Die Zahl der Venezolaner in lateinamerikanischen Ländern stieg laut UNHCR von 700.000 im Jahr 2015 auf fast vier Millionen im Juni 2019. Viele haben große Schwierigkeiten dabei, ein normales Leben in einem neuen Land aufzubauen. Die größte Herausforderung besteht in dem nicht vorhandenen formalen Status, der ihnen zu Arbeit verhelfen, ihren Kindern den Schulbesuch ermöglichen und Zugang zur Grundversorgung gewähren könnte. Ein solcher Status würde auch die Bedrohung durch Menschenhandel und Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt verringern. Die hohe Anzahl von Venezolanerinnen und Venezolanern, die nach Kolumbien, Brasilien, Ecuador und Peru kommen, übersteigt die Fähigkeit dieser Länder, die Herausforderungen zu bewältigen. Die knappen Ressourcen und die wachsende Zahl an Einreisenden erhöht die Gefahr zunehmender Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit. Bis Mai 2019 wurden nur 21 Prozent des „Regional Refugee and Migrant Response Plans“ finanziert, der die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen mit humanitärer Hilfe versorgen soll.
In Mittelamerika fliehen Zehntausende vor Gewalt
In Honduras, Guatemala und El Salvador, im so genannten Nördlichen Dreieck Zentralamerikas, findet seit einigen Jahren eine Massenflucht statt. Kriminelle Banden, die um Kontrolle kämpfen, lähmen in allen drei Ländern Teile der Gesellschaft. Dabei sehen sich junge Menschen in einer besonders prekären Situation. Die gewalttätigen Gruppen terrorisieren die Bevölkerung mit Morden, Vergewaltigungen, Drohungen, Erpressungen und Entführungen. Diese Umstände sind mit einer Konfliktsituation vergleichbar.
Die Regierungen in der Region sind nicht in der Lage, die Menschen zu schützen. Und so sind viele zur Flucht aus ihren Heimatländern gezwungen. Von Oktober 2018 bis Januar 2019 überquerten rund 16.000 Menschen, verteilt auf fünf Karawanen, die Grenze zwischen Guatemala und Mexiko. Die Migrationsbewegungen gibt es zwar bereits seit Jahrzehnten, aber die Karawanen sind ein neues Phänomen. 48 Prozent kamen aus Honduras und 39 Prozent aus El Salvador. Obwohl immer mehr Menschen in Mexiko, Belize, Costa Rica und Panama Asyl suchen, sind diese Länder wegen der weitvernetzten Banden nach wie vor unsicher. Daher sehen viele immer noch in den Vereinigten Staaten ihren einzigen sicheren Zufluchtsort, obwohl Präsident Trump die Asylpolitik der USA stark verschärft hat. Viele Menschen werden in ihre Heimatländer zurückgeführt – sowohl aus den Vereinigten Staaten als auch aus anderen Ländern der Region.
Auch wenn immer mehr Menschen aus den USA und Mexiko zurückgeschickt werden, führt dies oft nur dazu, dass sie erneut fliehen. Schwache staatliche Institutionen, Korruption, organisierte Kriminalität, extreme soziale Ungleichheit und Gewalt sind eine explosive Mischung. Es gibt hier keine schnelle Lösung, und 2019 werden die Vereinigten Staaten und Mexiko eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der Probleme von den Menschen spielen, die diesen Bedingungen entkommen wollen.
Die Vereinigten Staaten verschärfen ihre Asylpolitik
Die USA haben eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, um die illegale Einwanderung zu stoppen, seit Donald Trump Präsident ist. Daher haben es heute auch Geflüchtete mit echtem Schutzbedarf wesentlich schwerer, Asyl zu erhalten. Der Anteil der Asylsuchenden aus mittelamerikanischen Ländern, denen 2018 Asyl gewährt wurde, ging stark zurück, nachdem der ehemalige Justizminister Jeff Sessions angeordnet hatte, dass Gewalt durch Nichtregierungsgruppen nicht mehr als akzeptable Schutzgrundlage gelten sollte. Im Dezember entschied jedoch ein US-Bundesgericht, dass diese Anordnung gegen US-Recht verstößt.
Im April 2019 entschieden die Gerichte zugunsten der Trump-Administration. Diese verlangt von Asylsuchenden, bis zu einer Entscheidung der US-Behörden zu ihrem Asylantrag in Mexiko auszuharren, obwohl die Geflüchteten in mexikanischen Grenzgebieten Gewalt erfahren haben. Die langen Bearbeitungszeiten führen dazu, dass die zur Flucht gezwungenen Menschen jetzt länger als ein Jahr in Mexiko warten müssen. Die Drohung der Trump-Regierung, die humanitäre Hilfe sowie die Entwicklungshilfe für Mittelamerika zu kürzen, würde sowohl die US-amerikanischen als auch die regionalen Interessen ernsthaft beeinträchtigen.
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Kinder sterben in Gefangenenlagern
Asylsuchende, die in die Vereinigten Staaten eingereist sind, werden für die Dauer der Antragsbearbeitung festgehalten und erhalten keine Beschäftigung. Vor kurzem wurde außerdem beschlossen, dass Asylsuchende eine Gebühr für einen Asylantrag in den Vereinigten Staaten zahlen sollen. Die USA standen massiv unter Kritik, weil durch ihre Politik Kinder von ihren Eltern getrennt und in getrennten Haftanstalten untergebracht wurden. Etliche Kinder sind in Haft gestorben.
Trump verfolgt seinen Plan, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen, weiter. Allerdings konnte er den Kongress noch nicht dazu bringen, die Mauer entlang der gesamten Südgrenze zu finanzieren. In der Zwischenzeit unterstützen zahlreiche Soldaten die Grenzschutzbeamten sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Mexiko. Die Verhaftungen wegen unerlaubter Grenzüberschreitungen nahmen 2018 stark zu. Trump droht Mexiko, die Handelszölle anzuheben, sollte der Zustrom von Menschen an die US-Grenze nicht aufhören. Außerdem hat er erklärt, dass niemand Asyl erhalten soll, der sich vor dem Asylantrag in den USA bereits in anderen mittelamerikanischen Ländern aufgehalten hat.
Kanada schickt Asylsuchende zurück in die Vereinigten Staaten
Seit vielen Jahren betrachtet Kanada die Vereinigten Staaten als sicheres Drittland, und so werden Asylsuchende an der Grenze zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten abgelehnt. Die Einführung der neuen Beschränkungen in der US-Asylpolitik halten viele für einen Verstoß gegen die Flüchtlingskonvention. Kanadische Gerichte haben jedoch kürzlich erlaubt, die Praxis fortzusetzen. Kanada weist mittlerweile auch Asylsuchende zurück, die das Land abseits legaler Grenzstationen betreten.
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Schwierigerer Weg nach Europa über das Mittelmeer
Ein EU-Abkommen mit der Türkei hat seit dem Spitzenjahr 2015 zu einem Rückgang der Migration aus der Türkei nach Griechenland um 90 Prozent geführt. Es hat sich jedoch als schwierig erwiesen, Asylsuchende aus Griechenland in die Türkei zurückzuweisen. Die EU verlangt von Griechenland die Verantwortung für alle Asylsuchenden zu übernehmen, die in das Land einreisen. Und mehrere Länder, haben damit begonnen, Asylsuchende nach Griechenland zurückzuweisen. Dies hat dazu geführt, dass Tausende von Menschen unter würdelosen Bedingungen in überfüllten Aufnahmezentren leben. Besonders kritisch ist die Situation im Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Ferieninsel Lesbos.
Italien hat sich am Abkommen mit der Türkei orientiert und hindert jetzt zur Flucht gezwungene Menschen daran, das Mittelmeer von Libyen aus zu überqueren. Italien bezahlt die libysche Küstenwache dafür, Geflüchtete vor der Küste zu stoppen und sie in Haftanstalten oder Camps zu schicken, wo viele von ihnen Gewalt erfahren. Der italienische Innenminister Matteo Salvini hat ein Anlegeverbot für Seenotrettungsschiffe in italienischen Häfen erwirkt. Er droht außerdem damit, NGOs, die dagegen verstoßen, zu bestrafen. Durch diese Maßnahmen ist die Zahl der Flüchtlinge, die Italien 2018 auf dem Seeweg erreicht haben, im Vergleich zu 2017 um über 80 Prozent zurückgegangen.
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Sieben Prozent verlieren im Mittelmeerraum ihr Leben
Seitdem es schwieriger geworden ist, nach Italien und Griechenland zu gelangen, ist die Route von Marokko nach Spanien die wichtigste geworden. Im Jahr 2018 stieg die Zahl der Überquerungen um mehr als 160 Prozent gegenüber dem Vorjahr – mit mehr als zehnmal so vielen Menschen wie im Jahr 2015. Insgesamt gab es jedoch 2018 im Vergleich zu 2017 24 Prozent weniger Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollten, um 84 Prozent weniger als 2015. Wegen der gefährlicheren Routen sind mehr Menschen während der Überfahrt umgekommen. Außerdem verfügt die libysche Küstenwache, die jetzt an der Küste patrouilliert, nicht über die gleichen Rettungsfähigkeiten wie die europäischen Rettungsdienste. Insgesamt sieben Prozent aller Menschen, die 2018 das Mittelmeer überquerten, verloren ihr Leben.
Die EU und die Arabische Liga trafen einander im Februar 2019, um die Zusammenarbeit im Bereich Migration zu besprechen. Die EU hoffte, mit den nordafrikanischen Ländern ähnliche Vereinbarungen wie mit der Türkei treffen zu können. Allerdings standen alle betroffenen Länder und die Afrikanische Union dem Plan sehr kritisch gegenüber.
Deutschland nimmt die meisten Asylsuchenden auf
Trotz des starken Rückgangs der Ankünfte im Mittelmeerraum haben 2018 580.000 Menschen Asyl in der EU beantragt, was zeigt, dass Schlepper immer wieder neue Wege nach Europa finden, wenn andere geschlossen werden. Die Zahl entspricht einem leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr – und ist um die Hälfte niedriger als 2015 und 2016; trotzdem ist sie immer noch viel höher als vor 2015.
Deutschland nimmt die meisten Asylsuchenden auf. Frankreich, Griechenland und Spanien belegen die nächsten drei Plätze. Am stärksten ist der Rückgang in Skandinavien, was zum Teil an Grenzkontrollen liegt, die die Reise in den europäischen Norden erschweren.