
Was man über die Gefahren, denen Frauen auf der Flucht ausgesetzt sind, wissen sollte:
1. Frauen sind am stärksten betroffen: Der diesjährige Bericht über sexualisierte Gewalt in Kriegen und Konflikten untersucht 19 Länder. Der Bericht zeigt einen deutlichen Trend für das gesamte Jahr 2018: Sexualisierte Gewalt ist Teil einer umfassenderen Konfliktstrategie, die erhebliche Auswirkungen auf Frauen und Mädchen hat. Sexualisierte Gewalt wird eingesetzt, um Menschen aus ihren Gemeinden zu vertreiben, um sogenannte „unerwünschte Gruppen“ auszustoßen und umkämpftes Land und andere Ressourcen zu erobern. Darüber hinaus wird sexuelle Gewalt zum Zwecke der Unterdrückung, des Terrors und der Kontrolle genutzt.
2. Angst vor Stigmatisierung: Vergewaltigung und sexueller Missbrauch sind für die meisten Menschen ein Tabuthema und mit viel Scham verbunden. Frauen behalten ihre Erlebnisse oft für sich. Männer, die Opfer von Vergewaltigung werden, erleben diese Stigmatisierung ebenso, was die Bestimmung genauer Opferzahlen schwierig macht. Untersuchungen, die im ehemaligen Jugoslawien durchgeführt wurden, lassen jedoch hohe Zahlen vermuten.
Nach den Kriegen Anfang der 1990er Jahre in Jugoslawien gab es eine anonyme Studie über 6.000 Häftlinge in den Konzentrationslagern rund um Sarajevo. 80 Prozent der männlichen Gefangenen wurden der Studie zufolge vergewaltigt oder sexuell missbraucht (Christian Michelsen Institute, 2018).
https://www.cmi.no/news/2096-sexual-violence-in-wartime
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3. Besorgniserregender Trend: Untersuchungen der Vereinten Nationen zeigen, dass sexualisierte Gewalt gegen sehr junge Mädchen und Jungen zunimmt. Dies ist vor allen in Ländern wie Afghanistan, Burundi, der Zentralafrikanischen Republik, der Demokratischen Republik Kongo, Myanmar, Somalia, dem Südsudan, Sri Lanka, dem Sudan (Darfur) und dem Jemen der Fall. Ziel ist es möglicherweise, die Gemeinden vor Ort zu terrorisieren.
4. Geflüchtete sind extrem gefährdet: Derzeit sind weltweit 70,8 Millionen Menschen auf der Flucht. Viele fliehen infolge von konfliktbedingten Gräueltaten einschließlich sexualisierter Gewalt. Wenn Frauen Checkpoints oder Grenzen ohne Ausweispapiere oder Aufenthaltsgenehmigung passieren, sind sie einem hohen Risiko ausgesetzt, vergewaltigt zu werden.
5. Immer noch nicht in Sicherheit: Sexuelle Übergriffe können selbst dort noch auftreten, wo die Menschen Schutz gesucht haben. Sie können selbst in den Lagern für Geflüchtete oder Binnenvertriebene noch Opfer von sexualisierter Gewalt werden. Frauen sind zum Beispiel stark gefährdet, vergewaltigt zu werden, wenn sie außerhalb des Lagers Feuerholz suchen.
Vertriebene können Opfer von Menschenhandel, Vergewaltigung und Zwangsprostitution werden. Um das Risiko der Ausbeutung zu minimieren oder Zugang zu dringend benötigten Ressourcen zu bekommen, verheiraten verzweifelte Eltern ihre minderjährigen Töchter oft mit Fremden. Ein weiteres Problem ist geschlechtsspezifische Gewalt, wie etwa Gewalt in der Partnerschaft.

6. Erniedrigung und die Kinder des Feindes: Sexualisierte Gewalt wird als Kriegstaktik und als Form von Terrorismus eingesetzt. Das Ziel ist häufig Kontrolle und Erniedrigung. Oder sie kann eingesetzt werden, um Frauen zu schwängern, um die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung zu verändern.
7. Von allen verlassen: Frauen auf der Flucht werden oft von ihren Männern verlassen. Darüber hinaus verlieren sie häufig ihr Netzwerk, das sie zu Hause hatten, wie etwa ihre Familie, Freunde und Nachbarn. Das macht sie anfälliger für Missbrauch.
8. Allein für die Familie verantwortlich: Viele Frauen sind gezwungen, ihre Kinder allein zu versorgen. Manche begeben sich in die Prostitution, um sie ernähren zu können.

9. Täter bleiben ungestraft: Das Problem von sexualisierter Gewalt im Krieg ist, dass sie selten gemeldet und verfolgt wird. Das Völkerrecht besagt hingegen, dass Vergewaltigung ein Kriegsverbrechen darstellt, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ein Bestandteil von Völkermord sein kann.
Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) hat Staatsoberhäupter angeklagt und eine Reihe hochrangiger Militärführer für den Befehl zu sexualisierter Gewalt verurteilt.
10. Die Weltgemeinschaft: Sexualisierte Gewalt in Krieg und Konflikt wird damals wie heute eingesetzt und stillschweigend akzeptiert.
Im Jahr 2000 verabschiedeten die Vereinten Nationen eine Resolution zum Thema Frauen, Frieden und Sicherheit (Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrats http://unscr.com/en/resolutions/doc/1325). Diese ist von großer Bedeutung, denn sie besagt, dass sexualisierte Gewalt im Krieg Teil der Kriegsführung ist und nicht etwas, das nur zufällig geschieht. Genau deshalb argumentiert die Resolution, dass es Frauen erlaubt sein sollte, an Konfliktprävention, Friedensprozessen und Konfliktverhütungseinsätzen teilzunehmen. Die Situation und Einschätzung von Frauen ist inzwischen Teil der UN-Berichte geworden.
Dass der Friedensnobelpreis im vergangenen Jahr dem kongolesischen Arzt Denis Mukwege und der Jesidin Nadia Murad verliehen wurde, trug dazu bei, über Vergewaltigung in Krieg und Konflikt – ein Problem, dass sich weitgehend im Verborgenen abspielt – aufzuklären.
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Wie NRC sich einsetzt:
- Schutz bildet die Grundlage all unserer humanitären Arbeit. Im Jahr 2018 unterstützten unsere 14.000 humanitären Helferinnen und Helfer über 8,5 Millionen Menschen.
- Konflikte, Kriege und Krisen können unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen, Männer, Mädchen und Jungen haben. Manchen werden nur aufgrund ihres Geschlechts ihre Rechte verwehrt, andere werden Opfer von Missbrauch und sexualisierter Gewalt. Wir haben uns verpflichtet, in all unserer humanitären Arbeit geschlechtsspezifische Aspekte zu berücksichtigen.
- Ob es darum geht, für das Recht der Frauen auf Landbesitz einzutreten, in Schulen Toiletten für Mädchen einzurichten oder Jungen vor der Rekrutierung als Kindersoldaten zu bewahren, NRC berücksichtigt den Bedarf der Menschen in Bezug auf ihr Geschlecht und ihr Alter.
- NORCAP, die Expertengruppe von NRC, besteht aus hoch qualifizierten Fachleuten, einschließlich der Bereiche Schutz, Geschlecht und Gleichstellung.
- Menschen auf der Flucht sind in einer äußerst schwierigen Lebenslage. NRC setzt sich dafür ein, dass Vertriebene ihre Würde und ihr Selbstvertrauen bewahren können.