Sümpfe im Südirak. Foto: Fareed Baram/ NRC

Irak: Klimawandel verursacht Ernteverluste und trägt zu weiterer Vertreibung bei

Veröffentlicht 26. Nov. 2023|Bearbeitet 08. Dez. 2023
Im Irak behindert der Klimawandel die wirtschaftliche Erholung der von Konflikten betroffenen Gemeinden und birgt die Gefahr von Sekundärvertreibungen. Etwa 60 Prozent der Landwirt*innen kämpfen mit Wasserknappheit und geringeren Ernteerträgen, zeigt ein neuer Bericht von NRC Flüchtlingshilfe.

„Das Klima im Irak verändert sich schneller als die Menschen sich anpassen können", erklärt Anthony Zielicki, NRC-Interimsdirektor im Irak. „Für die 1,2 Millionen Menschen, die immer noch durch den Konflikt vertrieben werden, und die Millionen, die nach Hause zurückgekehrt, oder umgesiedelt sind, wird die Erholung von Jahren des Konflikts durch die extreme Dürre gelähmt und untergräbt die hart erkämpften Verbesserungen der Lebensbedingungen und Einkommenssicherheit."

Laut einer neuen Umfrage des NRC gaben 60 Prozent der Landwirt*innen an, dass sie aufgrund der extremen Dürre weniger Land bewirtschaften bzw. weniger Wasser verwenden mussten. Die ungünstigen klimatischen Bedingungen haben auch den Zugang zu und die Funktionsfähigkeit von Marktsystemen beeinträchtigt, soziale Spannungen verschärft und das Risiko von widerholter Vertreibung erhöht.

„Als Organisation, die Menschen unterstützt, die zur Flucht gezwungen sind, müssen wir Alarm zu schlagen", fügte Zielicki hinzu. „Der Irak hat lobenswerte Schritte unternommen, um den Klimawandel auf die nationale Agenda zu setzen. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Auswirkungen des Klimawandels im Irak erfordern dringende Maßnahmen zur Eindämmung und Anpassung."

In Gebieten, in denen jahrzehntelange Konflikte erhebliche Schäden an der Infrastruktur verursacht haben, tragen nun steigende Temperaturen und Wasserknappheit zu wachsenden Ungleichheiten beim Zugang zu Wasser in den Gemeinden bei. In der Ninewa-Ebene im Nordirak werden die Zusammenhänge zwischen Klima, Konflikt und Vertreibung immer deutlicher. In der Stadt Ba'aj erwägen 24 Prozent der Befragten, ihre Häuser wegen der Dürre zu verlassen.

„Alle meine Nachbarn sind weggezogen", erläutert Abu Rashid, ein Bauer aus Ninewa, gegenüber dem NRC. „Noch vor zehn Jahren arbeiteten 35 Menschen auf meinem Hof. Dieses Jahr konnte ich nicht einmal meine eigene Familie ernähren. Jetzt muss ich als Tagelöhner arbeiten, um über die Runden zu kommen. Wenn das so weitergeht, werde auch ich bald umziehen müssen. Sie wissen, was hier passiert ist, die ganze Welt weiß, was hier passiert ist. Heute haben die Kugeln aufgehört, aber wir haben immer noch Angst, unser Zuhause zu verlieren."

NRC fordert die irakische Regierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Wasserressourcen des Landes wirksamer zu überwachen, zu regulieren und zu verteilen, und die Entwicklung des irakischen ‘Green Paper’ zu beschleunigen, das eine Strategie für die Klimapolitik des Irak aufstellen und technische und budgetäre Verpflichtungen darlegen soll. Im Vorfeld der Klimakonferenz der Vertragsparteien (COP 28), die diese Woche in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfindet, fordert NRC Geber und Finanzinstitutionen dazu auf, die Mittel für Anpassungs- und Klimaresistenzprogramme in Vertreibungs- und Konfliktkontexten zu erhöhen.

 


Hinweise für Redakteure
  • Der dritte Klima- und Vertreibungsbericht 'Inadequate and inequal: water scarcity and displacement in Iraq', kann auf Englisch und Arabisch unter diesem Link heruntergeladen werden: Inadequate and inequitable: water scarcity and displacement in Iraq | NRC
  • Der Bericht stellt fest, dass 60 Prozent der Landwirt*innen gezwungen waren, in der Agrarsaison 2023 weniger Land zu bewirtschaften bzw. weniger Wasser zu verwenden, und, dass vier von fünf Landwirt*innen ihre Ausgaben für Lebensmittel reduzieren mussten.
  • Die Ninewa-Ebene im Nordirak zeigt Anzeichen dafür, dass sie sich zu einem Brennpunkt entwickelt. Die Wechselwirkungen zwischen Klima, Frieden und Sicherheit und die Absichten zur Flucht, erschweren das Vertrauen in die Gemeinschaft . Einer von vier Kleinerzeugern in Sinjar und Ba'aj gab an, die Landwirtschaft aufgeben zu müssen. Jede fünfte befragte Person in Ba'aj bringt den Klimawandel mit zunehmenden sozialen Spannungen in Verbindung, und jede vierte Person denkt darüber nach, wegen der Dürre umzusiedeln.
  • Für den Bericht wurden in 2023 zwischen Juli und August 1 079 Personen in den vier Provinzen Anbar, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin befragt. 40 Prozent der Befragten waren Frauen, und etwa 10 Prozent von ihnen gaben an unter einer Behinderung zu leiden.
  • Seit 2021 veröffentlicht NRC jährlich einen Bericht über die Auswirkungen des Klimas im Irak, der vier große Themenbereiche umfasst: Wassersicherheit und Regierungsführung, Einkommens- und Ernährungsunsicherheit und soziale Spannungen sowie Dürre und Vertreibung.
  • Hochauflösende Fotos können hier heruntergeladen werden.
  • Videomaterial aus den von der Dürre betroffenen Gebieten und über die Klimaanpassungsprogramme des NRC befinden sich hier.